Heinz
Wenn Heinz den Laden betrat legte sich für die anwesenden Kunden regelmäßig eine dunkle Wolke aus Schnaps und Tabak, auf den spiegelnden Boden der Drogerie, in der Emma arbeitete.
Für sie jedoch, ging die Sonne auf.
Heinz schritt schlendernd durch den Laden und Emma war sich immer sicher, dass er bemerkte, wie alle bei seinem Anblick die Luft anhielten. Er war sicher zwanzig Jahre jünger als er aussah und er war zwanzigmal höflicher als alle Kunden, die Emma jemals hatte. Sein fettiges dünnes Haar klebte an seinem hageren Kopf, wenn er die Strickmütze abnahm. Das tat er immer, weil es für ihn eine Notwendigkeit war und seinen Respekt demonstrierte. Die schwarze Mütze mit Mottenlöchern stopfte er dann in den alten ranzigen Parka und griff den wöchentlichen Grund seines Besuches aus der Innentasche.
Der Drogerie waren eine Abteilung mit Zeitschriften und eine Lottoannahmestelle angeschlossen, und Heinz versuchte regelmäßig sein Glück. Nicht nur damit er sich endlich die lückenhafte Knabberleiste reparieren lassen könnte oder sich mal ein ordentliches Paar Schuhe leisten würde, wünschte Emma keinem mehr einen dicken Lottogewinn, als dem Heinz.
Seine Stimme knarrte wie eine rostige Gießkanne und er sprach stets laut und mit der galanten Art eines Gentlemans.
„Einen wunderschönen guten Tag, schöne Frau.“
Spätestens jetzt wurde jeder auf Heinz aufmerksam und alle schauten erwartungsvoll zu Emma. Sie wusste was sie dachten und als Heinz das erst mal so vor ihr stand erging es ihr ähnlich. Erst als ein vermuteter lauter Rülpser oder eine Jägermeister - Fontaine ausblieb, ließ die Anspannung langsam nach. Das von jedem erwartete Lallen oder zweideutige Stammeln blieb ebenfalls aus und so beschränkten sich die Blicke auf sein Äußeres.
Heinz war immer frisch rasiert und gekämmt. Seine furchige Lederhaut war von Wind und Wetter gegerbt und hätte auch nach einer Behandlung mit einer Wurzelbürste, nicht den Eindruck vermittelt, er wäre ein gepflegter Mann. Sein Kopf erschien viel zu klein und die wenigen dunklen Haare, die sorgfältig zur Seite gescheitelt waren, sahen aus, als hätte man ihm mit brauner Schuhcreme eine Frisur an den Kopf gepinselt.
Heinz hatte Ordnung in seinen Unterlagen, er spielte immer drei verschiedene Scheine und ließ die, der Vorwoche kontrollieren. Seine großen knochigen Hände sortierten schnell und geschickt seine Lottoscheine und legten Emma stets auf den Cent genau, das Geld hin. Scheine in eine Richtung mit dem Gesicht nach vorne und Münzen sauber nebeneinander.
„Das gehört sich so, wenn man ein ordentlicher Mensch ist.“ Krächzte er, wenn Emma betonte wie gut es mit ihm zu arbeiten ist.
„Ach Frau Emma, wenn ich gewinne, dann bekommen sie einen großen Teil davon ab. Ich möchte, dass sie in den Urlaub fahren, nein, eine Weltreise, jawohl ein Reise um die ganze Welt schenk ich ihnen.“
„Ach Heinz, sie wissen dann bestimmt besseres mit dem Geld anzufangen als mich um den Globus zu schicken.“
„Ich? Ach was, ich habe doch alles was ich brauche und solange ich gesund bin und hier und da mal einen Garten richten kann, bin ich zufrieden.“
„Oh, sie sind Landschaftsgärtner?“
„Ja, nein, also ich mach halt was so anfällt, Bäume schneiden und Beete umgraben, Pflanzen setzen. Letzte Woche hab ich für den Dengelmann eine Hecke gesetzt. Die Leute haben doch alle keine Zeit für diese Arbeit und ich verdien mir so ein paar Euro. Wunderschöne Gärten haben die Leute, prächtige Häuser aber ihnen fehlt die Muse, Frau Emma, die Muse sich darum zu kümmern. Ich mach das gerne und Regen oder Kälte stören mich nicht.“
„Das hört sich prima an Heinz, eine schöne Arbeit ist das.“
„Das ist es Emma, und das Beste ist: ich hab meine Ruhe dabei.“
„Schön, kann ich sonst noch was für sie tun?“
„Gnädige Frau, eine Frage hätte ich: letzte Woche hat es hier so wundervoll geduftet, sagen sie mir was das war, ich musste immer daran denken und hab mich geärgert, dass ich nicht gleich gefragt habe.“
Emma überlegte und erinnerte sich an ein Körbchen, dass sie mit der edelsten Seife bestückte und das am Kassentisch stand.
„Sie meinen sicher die Seife, Heinz.“
Sie ging um das Körbchen zu holen:
„Das ist original Bronnley Seife, die beliefern sogar das britische Königshaus.“
„Jaaaa, das ist der Duft. Da nehme ich doch gleich zwei Stück mit.“
Ein wenig stutzte Emma, denn die meisten Kunden schreckten bei den zwölf Euro für ein Stück Seife zurück.
„Soll ich ihnen das hübsch als Geschenk verpacken?“
„Nicht nötig Frau Emma, machen sie sich keine Mühe, ich hab sie schon viel zu lange aufgehalten. Ich schieb die hier in die Jackentasche.“
Heinz bezahlte und ließ die zwei edlen Seifenstücke in die Parkatasche gleiten, nachdem er seine löchrige Strickmütze rausangelte und auf den Kopf stülpte, ohne vorher zu vergessen, den Scheitel noch mit der flachen Hand zu fixieren.
„Emma ich danke und wünsche ihnen ein wundervolles Wochenende. Es hat mich sehr gefreut, sie bei bester Gesundheit zu sehen. Bis nächsten Freitag, schöne Frau.“
Heinz ging aus dem Laden und wieder wusste Emma, dass er die Blicke der Menschen registrierte, doch vornehm und galant wie er nur konnte, ignorierte er selbst das reflexartige Zurückweichen einer Kundin, als er an ihr vorbei ging.
Heinz sah so aus, aber nie vernahm Emma nur den kleinsten Hauch von Schweiß oder Nikotin. Er roch nach frischer Luft und ab und zu nach einem Bierchen.
Von diesem Tag an aber, war Heinz nicht nur der freundlichste und liebenswürdigste Kunde in Emmas Drogerie, sondern der bestduftendste Mann weit und breit. Anscheinend wusch sich Heinz von Kopf bis Fuß mit dem edelsten Seifenstück, das Emma je verkauft hat.
Es war kein Geschenk, nein, er benutzte das traumhaft nach Passionsblumen duftende Waschstück, für sich selbst und wenn Emma mal im Lager war und Heinz verpasste, konnte sie an diesem Duft erkennen, dass er hier war.
Die Passionsblumen sah man Heinz nicht an, doch dieses Odure, auch wenn es sehr feminin war, passte zu keinem so gut wie zu ihm.
Es kam nicht nur einmal vor, dass ein Kunde, der eben noch Luft anhaltend in der Reihe stand, tief einatmete, um dann genießerisch zu bemerken:
„Hier riecht es aber gut, total angenehm nach Blüten oder so.“
„Ja, richtig, Passionsblumen, sehr edel und elegant.“
Eben wie Heinz.
Für sie jedoch, ging die Sonne auf.
Heinz schritt schlendernd durch den Laden und Emma war sich immer sicher, dass er bemerkte, wie alle bei seinem Anblick die Luft anhielten. Er war sicher zwanzig Jahre jünger als er aussah und er war zwanzigmal höflicher als alle Kunden, die Emma jemals hatte. Sein fettiges dünnes Haar klebte an seinem hageren Kopf, wenn er die Strickmütze abnahm. Das tat er immer, weil es für ihn eine Notwendigkeit war und seinen Respekt demonstrierte. Die schwarze Mütze mit Mottenlöchern stopfte er dann in den alten ranzigen Parka und griff den wöchentlichen Grund seines Besuches aus der Innentasche.
Der Drogerie waren eine Abteilung mit Zeitschriften und eine Lottoannahmestelle angeschlossen, und Heinz versuchte regelmäßig sein Glück. Nicht nur damit er sich endlich die lückenhafte Knabberleiste reparieren lassen könnte oder sich mal ein ordentliches Paar Schuhe leisten würde, wünschte Emma keinem mehr einen dicken Lottogewinn, als dem Heinz.
Seine Stimme knarrte wie eine rostige Gießkanne und er sprach stets laut und mit der galanten Art eines Gentlemans.
„Einen wunderschönen guten Tag, schöne Frau.“
Spätestens jetzt wurde jeder auf Heinz aufmerksam und alle schauten erwartungsvoll zu Emma. Sie wusste was sie dachten und als Heinz das erst mal so vor ihr stand erging es ihr ähnlich. Erst als ein vermuteter lauter Rülpser oder eine Jägermeister - Fontaine ausblieb, ließ die Anspannung langsam nach. Das von jedem erwartete Lallen oder zweideutige Stammeln blieb ebenfalls aus und so beschränkten sich die Blicke auf sein Äußeres.
Heinz war immer frisch rasiert und gekämmt. Seine furchige Lederhaut war von Wind und Wetter gegerbt und hätte auch nach einer Behandlung mit einer Wurzelbürste, nicht den Eindruck vermittelt, er wäre ein gepflegter Mann. Sein Kopf erschien viel zu klein und die wenigen dunklen Haare, die sorgfältig zur Seite gescheitelt waren, sahen aus, als hätte man ihm mit brauner Schuhcreme eine Frisur an den Kopf gepinselt.
Heinz hatte Ordnung in seinen Unterlagen, er spielte immer drei verschiedene Scheine und ließ die, der Vorwoche kontrollieren. Seine großen knochigen Hände sortierten schnell und geschickt seine Lottoscheine und legten Emma stets auf den Cent genau, das Geld hin. Scheine in eine Richtung mit dem Gesicht nach vorne und Münzen sauber nebeneinander.
„Das gehört sich so, wenn man ein ordentlicher Mensch ist.“ Krächzte er, wenn Emma betonte wie gut es mit ihm zu arbeiten ist.
„Ach Frau Emma, wenn ich gewinne, dann bekommen sie einen großen Teil davon ab. Ich möchte, dass sie in den Urlaub fahren, nein, eine Weltreise, jawohl ein Reise um die ganze Welt schenk ich ihnen.“
„Ach Heinz, sie wissen dann bestimmt besseres mit dem Geld anzufangen als mich um den Globus zu schicken.“
„Ich? Ach was, ich habe doch alles was ich brauche und solange ich gesund bin und hier und da mal einen Garten richten kann, bin ich zufrieden.“
„Oh, sie sind Landschaftsgärtner?“
„Ja, nein, also ich mach halt was so anfällt, Bäume schneiden und Beete umgraben, Pflanzen setzen. Letzte Woche hab ich für den Dengelmann eine Hecke gesetzt. Die Leute haben doch alle keine Zeit für diese Arbeit und ich verdien mir so ein paar Euro. Wunderschöne Gärten haben die Leute, prächtige Häuser aber ihnen fehlt die Muse, Frau Emma, die Muse sich darum zu kümmern. Ich mach das gerne und Regen oder Kälte stören mich nicht.“
„Das hört sich prima an Heinz, eine schöne Arbeit ist das.“
„Das ist es Emma, und das Beste ist: ich hab meine Ruhe dabei.“
„Schön, kann ich sonst noch was für sie tun?“
„Gnädige Frau, eine Frage hätte ich: letzte Woche hat es hier so wundervoll geduftet, sagen sie mir was das war, ich musste immer daran denken und hab mich geärgert, dass ich nicht gleich gefragt habe.“
Emma überlegte und erinnerte sich an ein Körbchen, dass sie mit der edelsten Seife bestückte und das am Kassentisch stand.
„Sie meinen sicher die Seife, Heinz.“
Sie ging um das Körbchen zu holen:
„Das ist original Bronnley Seife, die beliefern sogar das britische Königshaus.“
„Jaaaa, das ist der Duft. Da nehme ich doch gleich zwei Stück mit.“
Ein wenig stutzte Emma, denn die meisten Kunden schreckten bei den zwölf Euro für ein Stück Seife zurück.
„Soll ich ihnen das hübsch als Geschenk verpacken?“
„Nicht nötig Frau Emma, machen sie sich keine Mühe, ich hab sie schon viel zu lange aufgehalten. Ich schieb die hier in die Jackentasche.“
Heinz bezahlte und ließ die zwei edlen Seifenstücke in die Parkatasche gleiten, nachdem er seine löchrige Strickmütze rausangelte und auf den Kopf stülpte, ohne vorher zu vergessen, den Scheitel noch mit der flachen Hand zu fixieren.
„Emma ich danke und wünsche ihnen ein wundervolles Wochenende. Es hat mich sehr gefreut, sie bei bester Gesundheit zu sehen. Bis nächsten Freitag, schöne Frau.“
Heinz ging aus dem Laden und wieder wusste Emma, dass er die Blicke der Menschen registrierte, doch vornehm und galant wie er nur konnte, ignorierte er selbst das reflexartige Zurückweichen einer Kundin, als er an ihr vorbei ging.
Heinz sah so aus, aber nie vernahm Emma nur den kleinsten Hauch von Schweiß oder Nikotin. Er roch nach frischer Luft und ab und zu nach einem Bierchen.
Von diesem Tag an aber, war Heinz nicht nur der freundlichste und liebenswürdigste Kunde in Emmas Drogerie, sondern der bestduftendste Mann weit und breit. Anscheinend wusch sich Heinz von Kopf bis Fuß mit dem edelsten Seifenstück, das Emma je verkauft hat.
Es war kein Geschenk, nein, er benutzte das traumhaft nach Passionsblumen duftende Waschstück, für sich selbst und wenn Emma mal im Lager war und Heinz verpasste, konnte sie an diesem Duft erkennen, dass er hier war.
Die Passionsblumen sah man Heinz nicht an, doch dieses Odure, auch wenn es sehr feminin war, passte zu keinem so gut wie zu ihm.
Es kam nicht nur einmal vor, dass ein Kunde, der eben noch Luft anhaltend in der Reihe stand, tief einatmete, um dann genießerisch zu bemerken:
„Hier riecht es aber gut, total angenehm nach Blüten oder so.“
„Ja, richtig, Passionsblumen, sehr edel und elegant.“
Eben wie Heinz.
Tante Emma rechnet ab - 18. Apr, 21:08