Senor Ignoranza
Nach einem 12-Stundentag erfährt Emma meist die wundersame Heilung des Feierabends, der schon vor der Tür steht. Dann werden die fahrbaren Leckereiengondeln wieder reingeholt, Straßenreiter mit der aktuellen Werbung zusammen geklappt und meist noch ein Pfund ausgespuckter Kaugummis eingesammelt.
Emma liebt diesen Moment, wo sie die kühle Luft des Abends einsaugen kann und das Wagenklappern in den Ohren, mit dem schon merklich ruhiger gewordenen Lärm nach hause fahrender Autos, zum Schweigen bringt. Jetzt liegt zwar noch eine Stunde arbeit vor ihr, aber die geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die letzten Kunden verlassen nur in den seltensten Fällen pünktlich den Laden, daran hat sich Emma schon lange gewöhnt und das ist für sie auch kein Problem. Womit sie sich jedoch nie abfinden wird, ist die Tatsache, dass nahezu allabendlich mindestens Einer, durch das Wirrwarr der Kartonagenrollis und Gondeln zwängt, um noch ins Ladeninnere zu gelangen. Dabei scheut er nicht davor zurück selbst Hand anzulegen, um durch den eigentlich nicht mehr betretbaren Eingang zu gelangen.
Einmal hatte Emma schon den Schlüssel ins Schloss gesteckt und beim Zudrücken der Tür nach hinten geschaut, um sicher zu gehen, dass sich niemand mehr im Laden befinden, als sich ein hagerer Mann durch den Spalt zwängte, freundlich nickte, um dann im Laden zu verschwinden. Sie ließ in gewähren, war er doch der erste heute, der freundlich gegrüßt hatte.
Was häufiger geschieht ist, dass sich beim Schließen der Tür plötzlich ein Fuß dazwischen befindet.
„Machen Sie schon zu?“
„Nein, natürlich nicht, ich übe nur schon mal das Absperren!“
Verdammt, wie blöd kann man eigentlich fragen?
Noch schlimmer ist die Situation, wenn die Tür, glücklicherweise ohne Fußverletzungen, schon verriegelt ist, und sich dann ein Pfannkuchengesicht gegen die Scheibe drückt, dazu wie ein afrikanischer Congaspieler mit den Fäusten gegen das Panzerglas donnert, um dann laut zu rufen:
„Haben sie schon zu?“
Emma nickt dann überdurchschnittlich freundlich und zuckt hilflos mit den Schultern, während sie auf die Uhr zeigt und in Bauchrednermanier murmelt:
„Nein wir haben noch nicht zu, wir lassen nur SIE nicht rein.“ Oder auch:
„Dud mir leid, nix Schlüssel, nur Lade butzen.“ Manchmal aber entweicht Emma ein:
„Könnten sie Hilfe holen, man hat uns hier eingesperrt.“
Hat es ein Kartonhopser oder Palettenschieber dann doch noch geschafft in Emmas Hallen zu wandeln, schließt sie vorsichtshalber die Tür trotzdem schon mal ab. Diese Leute verfügen nämlich über einen Lockstoff, der enorme Wirkung auf freilaufende Menschen hat, die sich noch auf der Straße befinden.
Hatte der Schlangenmensch, auch der kleine Bruder des Hochwassers genannt, eben noch beteuert, er brauche nur noch ganz schnell etwas sehr wichtiges, finden ihn Emmas Augen auch schon, gemütlich einen Einkaufswagen schiebend, wieder.
Jetzt wird es Zeit für ungemütliche Stimmung zu sorgen. Also wird gepoltert, die ersten Lichter erlöschen und Emmas Putzlappen klatscht alarmierend auf die Fliesen. Meist bleibt dies ohne Wirkung und sie muss dann doch etwas nachhelfen:
„Entschuldigung, kann ich ihnen noch etwas helfen?“
Diese Frage versetzt ihn zurück in seine Trotzphase. Jetzt herrscht kalter Krieg. Der Blick ist jetzt eisern in den Regalen verankert, die Mimik täuscht maßloses Interesse an Zutatenlisten vor und jede Bewegung gleicht dem eines Faultieres.
„Nein, danke, ich komm schon zu recht. Ich schaue nur ein wenig.“
„Sie schauen mir jetzt ein wenig zu viel, und ob sie zu Recht kommen oder nicht, das entscheide immer noch ich.“ Das wären jetzt die Worte, die Emma so gerne sagen würde, aber sie verkneift sich diese Antwort genauso, wie die anderen hundertachtundzwanzig des Tages.
Sie weiß, dass jetzt jede Reaktion von ihr die Sache nur noch schlimmer macht und der Typ nie zum Ende kommt. Also widmet sie sich den Arbeiten, die sie schon mal erledigen kann, bis sich Carlos Ignoranza bequemen wird, die Kasse aufzusuchen.
Dort dann endlich angelangt, schaut er verwundert hoch und sondiert total entgeistert den leeren Laden:
„Ach, sie haben ja schon Feierabend. Bin ich etwa der Letzte?“
„Si, Senor Ignoranza, sie sind der Allerletzte!“
Emma liebt diesen Moment, wo sie die kühle Luft des Abends einsaugen kann und das Wagenklappern in den Ohren, mit dem schon merklich ruhiger gewordenen Lärm nach hause fahrender Autos, zum Schweigen bringt. Jetzt liegt zwar noch eine Stunde arbeit vor ihr, aber die geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die letzten Kunden verlassen nur in den seltensten Fällen pünktlich den Laden, daran hat sich Emma schon lange gewöhnt und das ist für sie auch kein Problem. Womit sie sich jedoch nie abfinden wird, ist die Tatsache, dass nahezu allabendlich mindestens Einer, durch das Wirrwarr der Kartonagenrollis und Gondeln zwängt, um noch ins Ladeninnere zu gelangen. Dabei scheut er nicht davor zurück selbst Hand anzulegen, um durch den eigentlich nicht mehr betretbaren Eingang zu gelangen.
Einmal hatte Emma schon den Schlüssel ins Schloss gesteckt und beim Zudrücken der Tür nach hinten geschaut, um sicher zu gehen, dass sich niemand mehr im Laden befinden, als sich ein hagerer Mann durch den Spalt zwängte, freundlich nickte, um dann im Laden zu verschwinden. Sie ließ in gewähren, war er doch der erste heute, der freundlich gegrüßt hatte.
Was häufiger geschieht ist, dass sich beim Schließen der Tür plötzlich ein Fuß dazwischen befindet.
„Machen Sie schon zu?“
„Nein, natürlich nicht, ich übe nur schon mal das Absperren!“
Verdammt, wie blöd kann man eigentlich fragen?
Noch schlimmer ist die Situation, wenn die Tür, glücklicherweise ohne Fußverletzungen, schon verriegelt ist, und sich dann ein Pfannkuchengesicht gegen die Scheibe drückt, dazu wie ein afrikanischer Congaspieler mit den Fäusten gegen das Panzerglas donnert, um dann laut zu rufen:
„Haben sie schon zu?“
Emma nickt dann überdurchschnittlich freundlich und zuckt hilflos mit den Schultern, während sie auf die Uhr zeigt und in Bauchrednermanier murmelt:
„Nein wir haben noch nicht zu, wir lassen nur SIE nicht rein.“ Oder auch:
„Dud mir leid, nix Schlüssel, nur Lade butzen.“ Manchmal aber entweicht Emma ein:
„Könnten sie Hilfe holen, man hat uns hier eingesperrt.“
Hat es ein Kartonhopser oder Palettenschieber dann doch noch geschafft in Emmas Hallen zu wandeln, schließt sie vorsichtshalber die Tür trotzdem schon mal ab. Diese Leute verfügen nämlich über einen Lockstoff, der enorme Wirkung auf freilaufende Menschen hat, die sich noch auf der Straße befinden.
Hatte der Schlangenmensch, auch der kleine Bruder des Hochwassers genannt, eben noch beteuert, er brauche nur noch ganz schnell etwas sehr wichtiges, finden ihn Emmas Augen auch schon, gemütlich einen Einkaufswagen schiebend, wieder.
Jetzt wird es Zeit für ungemütliche Stimmung zu sorgen. Also wird gepoltert, die ersten Lichter erlöschen und Emmas Putzlappen klatscht alarmierend auf die Fliesen. Meist bleibt dies ohne Wirkung und sie muss dann doch etwas nachhelfen:
„Entschuldigung, kann ich ihnen noch etwas helfen?“
Diese Frage versetzt ihn zurück in seine Trotzphase. Jetzt herrscht kalter Krieg. Der Blick ist jetzt eisern in den Regalen verankert, die Mimik täuscht maßloses Interesse an Zutatenlisten vor und jede Bewegung gleicht dem eines Faultieres.
„Nein, danke, ich komm schon zu recht. Ich schaue nur ein wenig.“
„Sie schauen mir jetzt ein wenig zu viel, und ob sie zu Recht kommen oder nicht, das entscheide immer noch ich.“ Das wären jetzt die Worte, die Emma so gerne sagen würde, aber sie verkneift sich diese Antwort genauso, wie die anderen hundertachtundzwanzig des Tages.
Sie weiß, dass jetzt jede Reaktion von ihr die Sache nur noch schlimmer macht und der Typ nie zum Ende kommt. Also widmet sie sich den Arbeiten, die sie schon mal erledigen kann, bis sich Carlos Ignoranza bequemen wird, die Kasse aufzusuchen.
Dort dann endlich angelangt, schaut er verwundert hoch und sondiert total entgeistert den leeren Laden:
„Ach, sie haben ja schon Feierabend. Bin ich etwa der Letzte?“
„Si, Senor Ignoranza, sie sind der Allerletzte!“
Tante Emma rechnet ab - 6. Apr, 17:20