Allergische Reaktionen
„Emma so geht das nicht.“
„Aber Herr Brettschneider, sie hätten die Dinger mal sehen und vor allem mal riechen sollen.“
„Jetzt haben sie sich nicht mal so Emma. Es geht nicht darum ob ein Umtausch gerechtfertigt ist oder nicht, die Kundin hat ihre Gründe und ist über ihr Verhalten empört. Also werden sie die Ware umtauschen.“
„Ich weiß nicht worüber die Frau sich aufregt, ich hab ihr lediglich gesagt, dass es eine Zumutung ist die Dinger hier auf dem Ladentisch zu haben und ich den wohl desinfizieren muss. Und das muss ich Herr Brettschneider, sie können sich nicht vorstellen….“
„Emma, die Kundin hat sich telefonisch hier über sie beschwert und ich habe ihr die Rücknahmen der Ware zugesichert.“
„Außerdem war sie unverschämt und nicht ich. Sie hat hier lauthals behauptet wir würden die Leute betrügen.“
„ Und was war das mit Gene Kelly? Emma ich schätze sie und glaube ihnen, dass die Situation mehr als unangenehm ist, aber es bringt nichts hier stur zu bleiben. Nehmen sie die Aktion der Kundin nicht persönlich und tauschen sie um. Sie wird wohl gleich bei ihnen sein. Dann erwarte ich ihre Professionalität. Sie tauschen die Ware um und geben der Kundin einen Gutschein als Entschädigung mit.“
„Aber Herr Bretts…“
Und vergessen sie nicht, sich zu entschuldigen!“
„Gut, wenn sie meinen. Auf Wiederhören.“
Emma schmetterte den Hörer auf die Gabel, dass der gleich wieder herunter hüpfte, um jämmerlich gequält zu tuten. Sie kochte vor Wut und bei dem Gedanken, dass diese unverschämte Person heute noch mal im Laden erscheinen wird, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Die Geschäftsleitung fiel ihr wieder einmal in den Rücken und Emma musste die zu erwartende Triumphmine der Ekeltante, professionell an ihrem Gesäß vorbei jonglieren.
Die Umtauschrate steigt immer gegen Monatsende an. Da wird das Geld knapp und die Leute verwechseln Einzelhandelsgeschäfte mit der Pfandleihe. Nach Weihnachten werden grundsätzlich unbeliebte Geschenke in Bares umgesetzt und wenn es draußen wärmer wird braucht so mancher das dicke Paar Wollsocken nicht mehr.
Wollsocken! Ja sie lesen richtig. Dabei handelte es sich dieses Mal aber nicht um einen ungetragenen farblichen Fehlgriff, der einem erst drei Monate später bewusst wird, nein, sondern um einem intensiven Alltagstest unterzogenenem Paar Alpaka – Strümpfe.
Gut, vielleicht bemerkt man ja erst nach Wochen, dass man das Material nicht verträgt oder die dicken flauschigen Teile nicht in einen Pumps passen, doch dann erscheint es doch als völlig normal, dass man solche Teile unverzüglich in den Laden zurückträgt.
Anders jedoch diese Kundin:
Schnaubend betrat sie Emmas Fundgrube, um sich vor ihr als verdeckte Ermittlerin der Woll-Qualitäten-Mafia, zu outen. Es bahnte sich regelrecht ein Wirtschaftsskandal an, dem das Aufdecken krimineller Labelfälschung folgte.
„Diese Socken bestehen aus allem nur nicht aus Alpakawolle!“
Eröffnete die Strumpfträgerin das Spektakel, indem sie eine völlig zerknautschte Tüte auf den Tresen schleuderte.
Diese bedrohlich wirkende Art der Körpersprache, ließ Emma sofort einen Schritt zurück weichen.
„Was bringt sie denn zu dieser Überzeugung?“ erkundigte sich Emma vorsichtig, weil sie nicht wusste, ob sich in der anderen Hand der Kundin, eventuell eine Keule befindet.
„Ganz einfach: Weil ich Alpaka sehr gut vertrage und dieses anscheinend minderwertige Material überhaupt nicht.“
Sie griff beherzt in die schmuddelige Tüte und gab den Blick auf ein grauenvolles Unheil frei.
Nun werden sie vermuten, dass die Kundin ein Paar bunt gekringelter Fußsäckchen auf den Ladentisch legte, aber nein:
Sie stellte.
Ja, sie stellte einen genau definierbaren Linken und einen deutlich ausgeprägten Rechten auf die Theke.
Emma hatte mal ein Seminar für Fußpflege besucht und konnte sofort erkennen, dass die Kundin links durch einen Spreiz-Knick-Fuß und rechts durch einen Senkfuß, gepeinigt war.
Die Exemplare des Grauens standen leicht x-beinig vor Emma, wobei die Zehenpartie leicht nach oben deutete.
Es blieb nun Emmas Phantasie überlassen, wie lange es wohl dauern mag, um aus feinster Wolle solch perfekte orthopädische Exponate, zu schaffen.
„Wie gesagt, vertrage ich Alpakawolle ausgezeichnet, aber von diesem Material bekomme ich eine Allergie. Meine Füße jucken schrecklich und sind wirklich schlimm gerötet. Ich bin mir absolut sicher, dass hier nicht nur drin ist, was auf dem Etikett steht, sondern dass es sich um ein Mischgewebe handeln muss. Das ist Betrug! Sie gaukeln hier den Kunden Sachen vor, die so nicht sind. Was glauben sie was das für einen Allergiker bedeutet, wenn er eh schon nicht alles tragen kann? Ich möchte sofort mein Geld zurück!“
Emma hatte schon viel gesehen: bis zum Stummel abgebrannte Kerzen, von denen der Kunde behauptete, sie brennen nicht, Teekannen mit intensivem Kalkrand und den schönsten Ornamenten aus Rotbuschtee, die garantiert noch nie benutzt wurden und dreiviertel leer gefutterte Bananenchipstüten, die total widerlich und ranzig schmeckten.
Doch dieser Anblick war Emma nun wirklich zuviel.
„Die Socken sind aber schon getragen, die kann ich ihnen nicht umtauschen“, erwiderte Emma, ohne den Blick von den vor ihr stehenden Allergieauslösern zu nehmen.
„Natürlich sind die getragen, sonst wüsste ich ja nicht, dass hier was reingemischt wurde.“
„Ich meine, die sind schon länger getragen“, entgegnete Emma und ließ das Paar nicht aus den Augen, weil sie vermutete, die Dinger könnten jeden Moment davon laufen.
„Sicher! So etwas merkt man nicht nach zwei-drei Tagen, ist doch logisch.“
„Entschuldigung, aber ich bin mir sicher, dass es nicht am Material liegt. Das ist... das war sicherlich hundert Prozent Alpaka.“
„Das ist unverschämt. Sie zweifeln daran, dass ich die Wahrheit sage? Sie beschuldigen mich auch noch eine Schlampe zu sein?“
„Nein, nein.“ Emma wurden die zwei fast zum Leben erweckten Strümpfe auf der Theke zunehmend unheimlicher, da mittlerweile ein dezenter Duft aufstieg. „Wenn die Teile schon zu Atmen beginnen, ist ihr erster Schritt nicht weit“, dachte Emma und appellierte:
„Bitte nehmen sie die Socken hier weg, bevor die hier „I´m singing in the rain“ steppen!
Ich kann die Ware in diesem Zustand nicht umtauschen, das müssen sie doch verstehen.“
„Das ist eine bodenlose Unverschämtheit. Ich werde mich über sie beschweren.“
Die Plattfüßlerin verstaute, die zu Hüttenschuhen mutierten, Teile vorsichtig im Plastiksack, weil sie wohl selbst befürchtete, dass sie einfach in der Mitte zerbrechen könnten und verließ schimpfend den Laden.
Etwa zwanzig Minuten später folgte dann Brettschneiders Anruf aus der Zentrale.
Nach der unnötigen Debatte dauerte es nicht lange, bis die Kundin wieder den Laden betrat.
„Hat sie ihr Chef schon informiert?“ Schnippte sie.
Emma nickte nur und gab der Zweibeinerin das Geld und den Gutschein. Die von Brettschneider geforderte Entschuldigung, blieb allerdings in Emmas Kehle verschlossen.
Als die Frau in die Schrumpeltüte fassen wollte, wehrte Emma sofort ab:
„Bitte nicht rausnehmen. Das ist schon gut so. Wenn sie die Tüte vielleicht gleich hier rein tun möchten?“
Emma hielt der Kundin einen leeren Pappkarton hin, auf dem mit rotem Textmarker stand:„Retoure.
Zu Händen Herrn Brettschneider.
Gruß Gene Kelly.“
„Aber Herr Brettschneider, sie hätten die Dinger mal sehen und vor allem mal riechen sollen.“
„Jetzt haben sie sich nicht mal so Emma. Es geht nicht darum ob ein Umtausch gerechtfertigt ist oder nicht, die Kundin hat ihre Gründe und ist über ihr Verhalten empört. Also werden sie die Ware umtauschen.“
„Ich weiß nicht worüber die Frau sich aufregt, ich hab ihr lediglich gesagt, dass es eine Zumutung ist die Dinger hier auf dem Ladentisch zu haben und ich den wohl desinfizieren muss. Und das muss ich Herr Brettschneider, sie können sich nicht vorstellen….“
„Emma, die Kundin hat sich telefonisch hier über sie beschwert und ich habe ihr die Rücknahmen der Ware zugesichert.“
„Außerdem war sie unverschämt und nicht ich. Sie hat hier lauthals behauptet wir würden die Leute betrügen.“
„ Und was war das mit Gene Kelly? Emma ich schätze sie und glaube ihnen, dass die Situation mehr als unangenehm ist, aber es bringt nichts hier stur zu bleiben. Nehmen sie die Aktion der Kundin nicht persönlich und tauschen sie um. Sie wird wohl gleich bei ihnen sein. Dann erwarte ich ihre Professionalität. Sie tauschen die Ware um und geben der Kundin einen Gutschein als Entschädigung mit.“
„Aber Herr Bretts…“
Und vergessen sie nicht, sich zu entschuldigen!“
„Gut, wenn sie meinen. Auf Wiederhören.“
Emma schmetterte den Hörer auf die Gabel, dass der gleich wieder herunter hüpfte, um jämmerlich gequält zu tuten. Sie kochte vor Wut und bei dem Gedanken, dass diese unverschämte Person heute noch mal im Laden erscheinen wird, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Die Geschäftsleitung fiel ihr wieder einmal in den Rücken und Emma musste die zu erwartende Triumphmine der Ekeltante, professionell an ihrem Gesäß vorbei jonglieren.
Die Umtauschrate steigt immer gegen Monatsende an. Da wird das Geld knapp und die Leute verwechseln Einzelhandelsgeschäfte mit der Pfandleihe. Nach Weihnachten werden grundsätzlich unbeliebte Geschenke in Bares umgesetzt und wenn es draußen wärmer wird braucht so mancher das dicke Paar Wollsocken nicht mehr.
Wollsocken! Ja sie lesen richtig. Dabei handelte es sich dieses Mal aber nicht um einen ungetragenen farblichen Fehlgriff, der einem erst drei Monate später bewusst wird, nein, sondern um einem intensiven Alltagstest unterzogenenem Paar Alpaka – Strümpfe.
Gut, vielleicht bemerkt man ja erst nach Wochen, dass man das Material nicht verträgt oder die dicken flauschigen Teile nicht in einen Pumps passen, doch dann erscheint es doch als völlig normal, dass man solche Teile unverzüglich in den Laden zurückträgt.
Anders jedoch diese Kundin:
Schnaubend betrat sie Emmas Fundgrube, um sich vor ihr als verdeckte Ermittlerin der Woll-Qualitäten-Mafia, zu outen. Es bahnte sich regelrecht ein Wirtschaftsskandal an, dem das Aufdecken krimineller Labelfälschung folgte.
„Diese Socken bestehen aus allem nur nicht aus Alpakawolle!“
Eröffnete die Strumpfträgerin das Spektakel, indem sie eine völlig zerknautschte Tüte auf den Tresen schleuderte.
Diese bedrohlich wirkende Art der Körpersprache, ließ Emma sofort einen Schritt zurück weichen.
„Was bringt sie denn zu dieser Überzeugung?“ erkundigte sich Emma vorsichtig, weil sie nicht wusste, ob sich in der anderen Hand der Kundin, eventuell eine Keule befindet.
„Ganz einfach: Weil ich Alpaka sehr gut vertrage und dieses anscheinend minderwertige Material überhaupt nicht.“
Sie griff beherzt in die schmuddelige Tüte und gab den Blick auf ein grauenvolles Unheil frei.
Nun werden sie vermuten, dass die Kundin ein Paar bunt gekringelter Fußsäckchen auf den Ladentisch legte, aber nein:
Sie stellte.
Ja, sie stellte einen genau definierbaren Linken und einen deutlich ausgeprägten Rechten auf die Theke.
Emma hatte mal ein Seminar für Fußpflege besucht und konnte sofort erkennen, dass die Kundin links durch einen Spreiz-Knick-Fuß und rechts durch einen Senkfuß, gepeinigt war.
Die Exemplare des Grauens standen leicht x-beinig vor Emma, wobei die Zehenpartie leicht nach oben deutete.
Es blieb nun Emmas Phantasie überlassen, wie lange es wohl dauern mag, um aus feinster Wolle solch perfekte orthopädische Exponate, zu schaffen.
„Wie gesagt, vertrage ich Alpakawolle ausgezeichnet, aber von diesem Material bekomme ich eine Allergie. Meine Füße jucken schrecklich und sind wirklich schlimm gerötet. Ich bin mir absolut sicher, dass hier nicht nur drin ist, was auf dem Etikett steht, sondern dass es sich um ein Mischgewebe handeln muss. Das ist Betrug! Sie gaukeln hier den Kunden Sachen vor, die so nicht sind. Was glauben sie was das für einen Allergiker bedeutet, wenn er eh schon nicht alles tragen kann? Ich möchte sofort mein Geld zurück!“
Emma hatte schon viel gesehen: bis zum Stummel abgebrannte Kerzen, von denen der Kunde behauptete, sie brennen nicht, Teekannen mit intensivem Kalkrand und den schönsten Ornamenten aus Rotbuschtee, die garantiert noch nie benutzt wurden und dreiviertel leer gefutterte Bananenchipstüten, die total widerlich und ranzig schmeckten.
Doch dieser Anblick war Emma nun wirklich zuviel.
„Die Socken sind aber schon getragen, die kann ich ihnen nicht umtauschen“, erwiderte Emma, ohne den Blick von den vor ihr stehenden Allergieauslösern zu nehmen.
„Natürlich sind die getragen, sonst wüsste ich ja nicht, dass hier was reingemischt wurde.“
„Ich meine, die sind schon länger getragen“, entgegnete Emma und ließ das Paar nicht aus den Augen, weil sie vermutete, die Dinger könnten jeden Moment davon laufen.
„Sicher! So etwas merkt man nicht nach zwei-drei Tagen, ist doch logisch.“
„Entschuldigung, aber ich bin mir sicher, dass es nicht am Material liegt. Das ist... das war sicherlich hundert Prozent Alpaka.“
„Das ist unverschämt. Sie zweifeln daran, dass ich die Wahrheit sage? Sie beschuldigen mich auch noch eine Schlampe zu sein?“
„Nein, nein.“ Emma wurden die zwei fast zum Leben erweckten Strümpfe auf der Theke zunehmend unheimlicher, da mittlerweile ein dezenter Duft aufstieg. „Wenn die Teile schon zu Atmen beginnen, ist ihr erster Schritt nicht weit“, dachte Emma und appellierte:
„Bitte nehmen sie die Socken hier weg, bevor die hier „I´m singing in the rain“ steppen!
Ich kann die Ware in diesem Zustand nicht umtauschen, das müssen sie doch verstehen.“
„Das ist eine bodenlose Unverschämtheit. Ich werde mich über sie beschweren.“
Die Plattfüßlerin verstaute, die zu Hüttenschuhen mutierten, Teile vorsichtig im Plastiksack, weil sie wohl selbst befürchtete, dass sie einfach in der Mitte zerbrechen könnten und verließ schimpfend den Laden.
Etwa zwanzig Minuten später folgte dann Brettschneiders Anruf aus der Zentrale.
Nach der unnötigen Debatte dauerte es nicht lange, bis die Kundin wieder den Laden betrat.
„Hat sie ihr Chef schon informiert?“ Schnippte sie.
Emma nickte nur und gab der Zweibeinerin das Geld und den Gutschein. Die von Brettschneider geforderte Entschuldigung, blieb allerdings in Emmas Kehle verschlossen.
Als die Frau in die Schrumpeltüte fassen wollte, wehrte Emma sofort ab:
„Bitte nicht rausnehmen. Das ist schon gut so. Wenn sie die Tüte vielleicht gleich hier rein tun möchten?“
Emma hielt der Kundin einen leeren Pappkarton hin, auf dem mit rotem Textmarker stand:
Zu Händen Herrn Brettschneider.
Gruß Gene Kelly.“
Tante Emma rechnet ab - 24. Apr, 12:36